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Der tiefe Fall des Kryptowunderkinds


Prozessauftakt gegen Bankman-Fried

Der tiefe Fall des Kryptowunderkinds

Sam Bankman-Fried, Gründer der insolventen Kryptobörse FTX.

Sam Bankman-Fried, Gründer der insolventen Kryptobörse FTX.

© Quelle: Seth Wenig/AP/dpa

In New York beginnt der Prozess um den Zusammenbruch der Handelsplattform FTX. Dem 31-jährigen Gründer Sam Bankman-Fried drohen mehr als hundert Jahre Haft. Vor Gericht geht es um betrogene Kunden, verschwundene Milliarden – und den stilvollen Auftritt.

Stefan Winter

Eine wichtige Frage ist schon geklärt: Sam Bankman-Fried darf Anzug tragen, wenn er von Dienstag an in New York vor Gericht steht. Als Star der Kryptoszene hatte der 31-Jährige Shorts und T-Shirts bevorzugt. Im Moment trägt er Gefängniskleidung, aber beim Auftritt vor den Geschworenen will sich der Mitgründer der zusammengebrochenen Handelsplattform FTX von der ernsthaften Seite zeigen. Also beantragten seine Anwälte erfolgreich das Tragen von Geschäftskleidung.

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Drei Anzüge für den Angeklagten

Drei Anzüge, vier Hemden, drei Krawatten, ein Gürtel, vier Paar Socken, zwei Paar Schuhe und „angemessene Unterwäsche“ werden die Wachen für die Auftritte des Angeklagten im Saal 26A des New Yorker Distriktgerichts bereithalten, entschied Richter Lewis Kaplan. Es wird schließlich ernst für das einstige Business-Wunderkind. Im Fall „United States of America vs. Samuel Bankman-Fried, aka ‚SBF‘“ geht es um verschwundene Milliarden, Millionen geschädigte Anleger – und schlimmstenfalls mehr als hundert Jahre Haft für den Angeklagten.

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Als im November 2022 die Kryptobörse FTX in den USA Gläubigerschutz beantragte, schien zunächst einfach ein weiteres Start-up zu scheitern. Der Wert von Bitcoin und anderen Kryptowährungen war zuvor massiv gefallen – vor allem wegen der Zinserhöhungen. Das traf auch die FTX-eigene Digitalwährung FTT, was wiederum den zum FTX-Reich gehörenden Hedgefonds Alameda in Bedrängnis brachte.

Die Nervosität in der Szene wuchs. Als immer mehr FTX-Kunden ihre Guthaben abzogen, kündigte der Konkurrent Bi­nance eine Übernahme des Start-ups an – und sprang nach näherem Hinsehen innerhalb weniger Stunden wieder ab. FTX konnte die Guthaben seiner Nutzer nicht auszahlen und meldete Insolvenz an. Millionen Anleger verloren ihr Geld, und schnell kursierten Hinweise, dass es in dunklen Kanälen verschwunden sei.

Noch nie in meiner Karriere habe ich solch ein komplettes Versagen an Un­ter­neh­mens­kon­trol­le und so einen Mangel an vertrauenswürdigen Finanzinformationen erlebt.

John Ray III

Insolvenzverwalter

Einen Monat später wurde Bankman-Fried auf den Bahamas festgenommen und an die USA ausgeliefert. Der erfahrene Sanierer John Ray, der sich um die Unternehmensreste kümmern sollte, ließ sich wenig später so zitieren: „Noch nie in meiner Karriere habe ich solch ein komplettes Versagen an Un­ter­neh­mens­kon­trol­le und so einen Mangel an vertrauenswürdigen Finanzinformationen erlebt.“

SBF beruft sich auf Ahnungslosigkeit

Bankman-Fried und seine Anwälte behaupten, dass der FTX-Chef den Überblick verloren habe und sich der Illegalität seiner Geschäft nicht bewusst gewesen sei. Die Ankläger sehen das anders. „Das war kein Fall von Miss­ma­nage­ment oder schlechter Aufsicht, sondern von vorsätzlichem Betrug, ganz einfach“, sagte Staatsanwalt Damian Williams bei der Anklageerhebung im Dezember.

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Seit der FTX-Gründung 2019 habe Bankman-Fried Kundeneinlagen für eigene Zwecke benutzt, heißt es in den zwölf Anklagepunkten: Milliarden habe er für seine Unternehmen FTX und Alameda verwendet, für Finanzspekulation, gemeinnützige Spenden – und für persönliche Bereicherung. Außerdem war der Jungunternehmer als Lobbyist aktiv und habe Republikanern und Demokraten verdeckt zweistellige Millionenbeträge zukommen lassen – weshalb er jetzt auch wegen illegaler Wahlkampffinanzierung angeklagt ist.

Ein Hedgefonds wird zum Fass ohne Boden

Bankman-Fried soll bisher wenig zur Aufklärung beigetragen haben. Er streitet die Vorwürfe ab und flüchtete sich unter anderem in einem Gespräch mit dem „Spiegel“ immer wieder in den Satz: „I fucked up“ – ich habe es vermasselt. Weggefährten haben dagegen offenbar umfangreich ausgesagt, darunter seine frühere Freundin Ca­ro­line Ellison, die für Alameda verantwortlich war.

Der Fonds war offenbar das schwarze Loch, in dem die Milliarden der FTX-Kunden verschwanden. Formal von der Handelsplattform getrennt, soll in der Praxis routinemäßig Geld von FTX zu Alameda verschoben worden sein, um dort damit zu spekulieren und Finanzlöcher zu stopfen. Laut Anklage sollen auf diesem Weg rund 10 Milliarden Dollar verzockt worden sein.

FTX sponserte auch die Basketball-Arena des Profiteams Miami Heat.

FTX sponserte auch die Basketball-Arena des Profiteams Miami Heat.

© Quelle: Marta Lavandier/AP/dpa

Den märchenhaften Aufstieg verdankte FTX dem allgemeinen Kryptoboom und der Selbstinszenierung seines Chefs SBF. Auf der Plattform, die zunächst in Hongkong und später auf den Bahamas re­gis­triert war, konnten die Nutzer Kryptowährungen und darauf basierende Anlageprodukte handeln. Zeitweise waren dort mehr als eine Million Nutzer aktiv, die täglich umgerechnet 10 Milliarden Dollar bewegten.

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Platz 32 auf der Reichenliste

Namhafte Investoren finanzierten das Start-up mit Hunderten Millionen Dollar. Bei der letzten Finanzierungsrunde ein Jahr vor der Pleite wurde die FTX-Gruppe mit 25 Milliarden Dollar bewertet, was dem Großaktionär Bankman-Fried immerhin Platz 32 auf der „Forbes“-Liste der reichsten Amerikaner eintrug.

Entsprechend trat SBF auf: Der einstige Physikstudent mit Interesse am Kapitalmarkt inszenierte sich als Vordenker der Kryptoszene, wurde bei deren Veranstaltungen als Stargast herumgereicht und zeigte sich mit prominenten Werbeträgern wie Footballstar Tom Brady und dessen Ex-Frau, Supermodel Gisele Bündchen. In seinen Blogs philosophierte er darüber, wie das Wohl der Menschheit insgesamt zu mehren sei.

Auch die Eltern unter Verdacht

Die Enthüllungen seit der Pleite zeichnen allerdings ein anderes Bild. Nicht nur Bankman-Fried, der privat inzwischen wohl pleite ist, soll sich ein Luxusleben geleistet haben. Auch seine Eltern, Juraprofessoren an der Universität Stanford, stehen mittlerweile als Profiteure unter Verdacht. Der Insolvenzverwalter fordert vor einem Gericht in Delaware Millionen zurück, weil sie ihren Einfluss auf den Sohn missbraucht hätten, um sich selbst zu bereichern. Joe Bankman und Barbara Fried weisen die Vorwürfe als „komplett falsch“ zurück.

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Author: Sarah Nguyen

Last Updated: 1698011522

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